Damit es nicht still bleibt

Seit über 3 Monaten ist es still im GLORIA. Und nicht nur bei uns, sondern in der gesamten Kulturbranche Deutschlands. Durch die Corona-Auflagen, die wir alle für richtig und wichtig erachten, dürfen wir bundesweit unseren Beruf nicht ausüben. Comedy Shows, Lesungen oder Konzerte – überall dort, wo Menschen zusammenkommen, um gemeinsam Kultur zu erleben, dürfen Veranstaltungen nur unter umfangreichen, behördlichen Auflagen durchgeführt werden. Selbst kleine Events, die momentan wieder erlaubt sind, unterliegen zurzeit notwendigen und strengen Hygiene-Vorschriften; dies führt dazu, dass Veranstaltungen aktuell nicht mehr wirtschaftlich durchführbar sind. Einst solvente Betriebe sind inzwischen in existentieller Not und stehen gar kurz vor der Insolvenz. Es geht um den Erhalt und das Überleben unserer Kulturstätten!

Zusammen mit engagierten, professionellen Filmschaffenden wurde dieses Projekt ins Leben gerufen und ein hochwertiger Spot im GLORIA produziert, der stellvertretend für viele andere Veranstaltungshäuser die derzeitige Situation darstellt: Bilder einer leer stehende Location mit Mitarbeitern, die darauf warten, wieder loszulegen, stimmen nachdenklich. Wir möchten die Probleme sichtbar machen. Unser aller Job ist es, zu unterhalten und das wollen wir auch mit diesem Spot. Charmant, mit einem Augenzwinkern. Gleichwohl soll mit Ernsthaftigkeit auf die Dramatik der Situation hingewiesen werden.

Zahlreiche Künstler haben an diesem Spot mitgewirkt. Unter anderem Carolin Kebekus, Luke Mockridge, Gerburg Jahnke, Michael Mittermeier, Ralf Schmitz, Johann König, Stefanie Heinzmann, Kasalla, Stoppok, Maxi Gstettenbauer, Dave Davis, Nina Vorbrodt, Fatih Cevikkollu und viele mehr. Über 100 Personen haben pro bono geholfen, diesen Spot herzustellen. Jedem einzelnen sind wir sehr dankbar für die Unterstützung.

Wir möchten auf die durch Corona ausgelöste Misere der Spielstätten, aber auch der Künstler, der Menschen hinter der Bühne und der Kulturakteure allgemein aufmerksam machen. Techniker, Auszubildende, Veranstaltungskaufleute, Agenten, Caterer, Backliner, Thekenmitarbeiter, Securities und unzählige mehr, die man für gewöhnlich nicht sieht, aber ohne deren Mitarbeit ein Konzert, ein Theaterabend, ein Firmenevent nicht möglich wäre.

Ziel ist es, mit diesem Spot Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit für unsere Situation zu erzielen und ihn über die sozialen Medien zu verbreiten. Denn auch wenn wir kurzfristige Hilfspakete erhalten, wird uns die Krise noch die nächsten Monate und vermutlich Jahre beschäftigen, vor allem die privatwirtschaftlichen Betriebe und die Solostelbständigen. Es gilt Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten und Existenzen zu sichern. Daher brauchen wir langfristige Unterstützung, aber auch die Treue unseres Publikums sowie den Zusammenhalt unserer Branche.

Zusammen mit der Politik wollen wir konstruktive Lösungen finden, wie es sie für andere Branchen auch bereits gibt. Denn das ist unser Anliegen: Der Kultur und den Menschen, die dafür arbeiten, wieder eine Perspektive zu geben.

Was wir alle tun können:

WIR – werden ein Hygiene- und Sicherheitskonzept ausarbeiten und umsetzten, adäquates Programm mit Künstlern für unsere Gäste zusammenstellen und alles tun, um unseren Betrieb und die dazugehörigen Mitarbeiter zu halten und Dienstleister zu unterstützen. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen, aber wir sind zuversichtlich, ab August wieder für Euch da zu sein.

IHR – zeigt uns, dass ihr Lust habt wieder Kultur zu erleben und haltet uns die Treue. Behaltet die Tickets für die Shows, die verschoben wurden und kauft Karten für die neuen Shows. Kommt zu uns! Unterstützt die Kultur durch die zahlreichen Hilfsaktionen der letzten Wochen – Durch den Erwerb von Gutscheinen und Solitickets über die zahlreichen Internetportale helft ihr uns über den Sommer. Zeigt uns eure Solidarität und tragt die Merchandising-Produkte eurer Lieblingsband oder Lieblingsclubs.

Und die Politik – seht uns, nehmt unsere Probleme ernst und gebt uns eine Perspektive, genauso wie anderen Branchen. Wir sind bereit für einen Austausch und Dialog auf Augenhöhe. Helft auch langfristig ungeförderten Betrieben und Soloselbständigen mit Förderprogrammen. Bildet Leitstellen zur schnellen Umsetzung von Hygiene-, Bestuhlungs- und Sicherheitskonzepten.

Kultur braucht eine Perspektive. Damit es nicht still bleibt!

Pressekontakt: Willi Nickolaus // Nickolaus PR // info@nickolaus-pr.de
Claudia Wedell// Gloria Theater // c.wedell@gloria-theater.com

Unser Spot ist hier zu finden:

www.facebook.com/gloriatheater/
www.instagram.com/gloria_theater
www.youtube.com/channel/UCrsUq9cpQ2jgeY3WaLH66Ng/videos

#damitesnichtstillbleibt
#kulturbrauchtperspektive
#gloriatheater

Hintergrundinformationen Veranstaltungshäuser:

Die letzten 3 Monate haben wir damit verbracht Veranstaltungen abzusagen, in den Herbst oder direkt ins nächste Jahr zu verschieben, haben Liquiditätspläne zusammengestellt und verworfen, ohne eine zeitliche Perspektive vor Augen zu haben. Durch das Konjunturpaket können einige vielleicht durchatmen, doch wie lange? Nur mit dem Engagement unserer Mitarbeiter*Innen konnten wir den Betrieb aufrechterhalten. Aber allein darauf können wir uns nicht dauerhaft stützen. Es gilt für unsere langjährigen Mitarbeiter*Innen sorgen, das Team zu erhalten, erfolgreiche langjährige Kooperationen fortzuführen, um gemeinsam mit allen Dienstleistern diese schwierige Zeit zu meistern. Die tägliche Motivation wird zur größten Herausforderung. Eine ständige emotionale Achterbahn zwischen der existenziellen Not und neuen Ideen und Projekten, die auf einmal wachsen. In kürzester Zeit plöppen Ideen wie Autokino und Streamings auf und hat man sich damit auseinandergesetzt, so sind sie auch schon wieder aus der Mode. Und nun steht uns die alljährliche Sommerpause bevor. Ohne Programm. Ohne Perspektive was nach dem Sommer erlaubt sein wird, oder eben nicht. Aus der Corankrise nahtlos ins Sommerloch und zurück?

Aktuell häufen sich die Forderungen aus den gestundeten Beträgen, Kredite sind noch nicht gewährt und das im üblichen Betrieb jährlich zu verzeichnende Sommerloch steht uns erst noch bevor. Somit sind es in Gänze rund 6 Monate ohne nennenswerte Umsätze. Ein halbes Jahr das  nicht mehr aufzuholen ist.

Wir wissen die Anstrengungen der Politik sehr zu schätzen, die ein noch nie dagewesenes Konjunkturpaket auf den Weg gebracht haben und sind gespannt, wie es im Detail bei uns ankommen wird.

Auch wenn es bereits erfreuliche Signale aus Bund, Ländern und Kommunen gibt, befürchten wir, dass gerade die Häuser, Menschen und Unternehmen, die bisher nie staatliche Förderungen erhalten haben, auf der Strecke bleiben. Viele Kollegen haben Existensängste. Einige Kollegen haben sich bereits neue Jobs gesucht. Was wird passieren, wenn eine gesamte Branche noch länger still gelegt wird? Wie lange kann eine Branche das aushalten?

Die langfristigen Folgen der Corona Krise werden wir noch bis weit ins nächste Jahr spüren. Wird es dann noch diese Vielfalt an nationalen und internationalen Künstler geben, die wieder auf unsere Bühnen zurückkehren? Wird es noch Techniker geben, die sie ins rechte Licht rücken, Caterer, die sie bekochen und Agenturen, die alles koordinieren? Wir alle sind aufeinander angewiesen und voneinander abhängig. Die Veranstaltungsstätten sind dabei eine wichtige Säule im Ökosystem der Kultur. Sie sind die Spielfläche der Kultur. Deren Wegfall wäre nicht einfach zu kompensieren und schon gar nicht zu ersetzen. Oft sind diese besonderen Objekte umgebaut und mit viel Herzblut gepflegt worden. Man kann sie nicht einfach an anderer Stelle wieder aufbauen. Wenn sie schließen, wird ein großes Loch im kulturellen Leben einer Stadt entstehen.

Wir alle möchten arbeiten, wir möchten mitgestalten. Dafür brauchen wir nicht nur finanzielle Sicherheiten, sondern auch rechtliche Grundlagen, die uns gerade vor eine große Herausforderung stellen. Denn auch wenn wir wieder öffnen dürfen, dann nur mit einer stark reduzierten Kapazität. Unbestuhlte Konzerte und Parties wird es voraussichtlich 2020 nicht mehr geben. Bis das internationale Tourneewesen wieder anläuft, wird es noch lange dauern. Das internationale und überregionale Booking hat einen Planungsvorlauf von vielen Monaten, größere Tourneen auch deutlich über einem Jahr – und dafür muss die grundsätzliche Reisemöglichkeit gegeben sein.

Auch wenn wir in der Veranstaltungsbranche es gewohnt sind kreativ zu sein und auf kurzfristige Änderungen zu reagieren, so brauchen wir eine gewisse Planungssicherheit und Vorlauf, um einen guten Job machen zu können. Auch wenn es immer so leicht aussieht, die Abläufe im Hintergrund sind komplex und erfordern längere Zeithorizonte und eine verlässliche Planbarkeit.

Jede Einnahme ist gut, aber nur wenn sie unternehmerisch sinnvoll ist. Der ernorme Kostenapparat aus Miete, Personal, Technik und Verwaltung läuft weiter. Ein Ausgleich durch gastronomischen Umsatz ist aktuell nicht möglich. Sprich es geht um Rentabilität, um Kostenkontrolle und Einnahmeoptimierung. Zusätzlich ist eine enormer Mehraufwand notwendig um die behördlichen Auflagen zu erfüllen. Dafür brauchen bisher nicht subventionierte Häuser ein langfristiges und tragfähiges finzanzielles Förderprogramm.

Künstler brauchen die Bühne, den Live Moment und die Reaktion der Zuschauer. Das kann nicht im Streaming und auch nicht durch eine Autoscheibe erlebt werden. Das Liveerlebnis ist Lebensqualität. Echt. Berührend. Unersetzlich.

Unsere Gäste möchten unterhalten werden, möchten abgelenkt werden von ihren Alltagssorgen und ein paar Stunden lachen und sich leicht fühlen. Wird das möglich sein in Zeiten einer Pandemie? Lachen trotz Ansteckungsrisiko? Konzerte im Sitzen und ohne Mitzusingen?

Der Gesundheitsschutz hat selbstverständlich auch für uns höchste Priorität. Niemand möchte kranke Gäste oder infiziertes Personal, niemand möchte für einen Infektionsherd verantwortlich sein, niemand möchte Schaden anrichten. Niemand möchte aber auch Identität und Geschäftsmodell bis zur Unkenntlichkeit verzerren oder unverschuldet in existenzielle Not geraten.

Kurzum es sind viele Faktoren, die in dieser vielfältigen und weitverzweigten Unternehmensbranche zusammenkommen und daher auch vielfältige und angepasste Lösungen bedürfen. Die Livekultur ist eine Szene voller Vielfalt und Kreativität. Sie muss erhalten bleiben. Das bleibt sie aber nur wenn gemeinsam mit der Politik individuelle Lösungen gefunden werden. Wir suchen den Dialog um diese Lösungen zu finden und zeitnah umzusetzen.

Damit Kultur wieder eine Perspektive hat! Und damit es nicht still bleibt…

Hintergrundinformationen Allgemein:

Die Veranstaltungswirtschaft war der erste Wirtschaftszweig, der von der COVID-19-Krise getroffen wurde und er wird auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit am längsten und tiefgreifendsten von den Auswirkungen betroffen sein. Faktisch alle Unternehmen aus den Bereichen Veranstaltungstechnik, Eventagentur, Catering, Bühnenbau, Eventlocation, Konzertveranstalter, Künstler und Einzelunternehmer haben durch die erfolgten Veranstaltungsverbote seit dem 10.03.2020 innerhalb weniger Tage ihre Arbeitsgrundlage verloren.

Seit Mitte März macht die Veranstaltungswirtschaft quasi keinen Umsatz mehr. Anders als im produzierenden Gewerbe können weggefallene Umsätze nicht mehr nachgeholt werden, es kann auch nichts „auf Lager“ produziert werden; die meisten Unternehmen in der Veranstaltungswirtschaft sind Dienstleister. Selbst wenn nach Beendigung der Krise eine hohe Nachfrage einsetzen würde, kann der erlittene Verlust nicht mehr kompensiert werden. Die Veranstaltungswirtschaft insgesamt ist einer der größten Sektoren der deutschen Wirtschaft und zählt rund 1 Million direkte Beschäftigte. Es wird ein jährlicher Umsatz von rund 130,0 Mrd. Euro erwirtschaftet. Rechnet man die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren veranstaltungsbezogenen Teil- und Zuliefermärkten hinzu, so beschäftigen mehr als dreihunderttausend Unternehmen in über 150 Disziplinen mehr als 3 Millionen Menschen und erzielen einen Jahresumsatz von über 200 Mrd. Euro! *

Durch das vorläufige Verbot von Großveranstaltungen bis 31.08.2020 und einen danach noch folgenden Vorlauf zur Planung von Veranstaltungen gibt es einen 80 – 100 % Umsatzausfall über einen Zeitraum von mindestens acht Monaten. Daraus resultiert eine akute Insolvenzgefahr für die gesamte Branche. Es ist wichtig, auch die Öffentlichkeit auf die besonders hart getroffene Branche der Veranstaltungswirtschaft aufmerksam zu machen und zu verdeutlichen, dass die derzeitigen Hilfeleistungen in Form von Kreditprogrammen nicht ausreichen. Da diese Kredite nicht wertschöpfend investiert werden können, sondern zur Deckung von Betriebskosten aufgewendet werden müssen, führt dies nach dem Verbrauch der Kredite zu einer erneuten Zahlungsunfähigkeit in Verbindung mit einer Überschuldung der betroffenen Unternehmen und Einrichtungen. 

Die wirtschaftliche Durchführung von Veranstaltungen ist zurzeit und bis auf weiteres unter den geltenden Restriktionen und notwendigen Hygieneregelungen nicht mehr möglich. Es bestehen somit besondere, ökonomische Herausforderungen, um die sog. „First in – Last out“ Unternehmen sowie die in der Veranstaltungswirtschaft tätigen Einzelunternehmer, mithin die gesamte Branche, zu retten. (Quelle: Night-of-Light.de)

*Quelle: Studie „Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Veranstaltungsbranche“ vom 15.06.2020 des R.I.F.E.L.  e.V. im Auftrag des IGVW e.V.